Kein Geld für die Beerdigung
Mazedonien:
Kein Geld für die Beerdigung
In Topana, der ältesten Mahala im Zentrum von Skopje. Eng verwinkelte und schwach beleuchtete Straßen, wir besuchen eine Familie in einem kleinen Haus, ein Raum, in dem leben die beiden Eltern mit ihren dreizehn und vierzehn Jahre alten Söhnen.
Die Familie trauert. Das jüngste Kind starb zwanzig Tage nach der Geburt im Krankenhaus an einem Herzfehler. Wo und wie das Baby beerdigt wurde ist unklar, die Eltern konnten es nicht selbst beerdigen, es fehlte ihnen an Geld. Im Krankenhaus hieß es, es werde sich gekümmert, sie sollten sich keine Gedanken machen. »Es war denen egal«, sagt die Familie über die Haltung, die ihnen im Krankenhaus entgegengebracht wurde. Mit der Trauer blieben die Eltern allein, niemand sprach mit ihnen. Die Mutter leidet an Depressionen, erzählen sie. Auf die Frage, ob sie behandelt wird wegen ihrer Depressionen, sagen sie »von was?«. Sie müssten – trotz Krankenversicherung – für alles zuzahlen. Nur die absolute Grundversorgung ist abgedeckt, Medikamente wie Antidepressiva oder eine Psychotherapie müssten sie selbst bezahlen.
Arbeit gibt es keine, erzählt der Mann. Er versucht, etwas Geld zu verdienen, indem er Plastik und Pappe sammelt und dies auf dem Wertstoffhof abgibt. Oder er arbeitet als Tagelöhner, über den sogenannten Arbeitsstrich. Dann stellt er sich an die Straße und wartet darauf, dass jemand, der billige Arbeitskräfte sucht, anhält. Oft gibt es dort nur für einen Tag Arbeit, Aushilfsarbeiten wie malen oder auf dem Bau. Man muss Glück haben, dort stehen viele. Der Lohn liegt bei ca. 2 Euro für einen Tag Arbeit ohne Aussicht auf längerfristige Beschäftigung.
Die Familie bekommt insgesamt 25,- Euro Sozialhilfe pro Monat. Kein Kindergeld. Die beiden Söhne besuchen die Schule im Ort. Die Hälfte der Sozialhilfe geht für Kosten drauf, die in der Schule anfallen. Nach der Schule noch Zeit zum Lernen haben die Kinder selten, und auch keinen Platz.
Strom und Wasser, ein Bad… gibt es nicht. Zwei Kerzen als Lichtquelle – es ist dunkel. Und einen Holzofen – es ist sehr warm. Wir nutzen die Taschenlampe eines Telefons, um Aufnahmen zu machen. Das Wasser, so erzählen sie, bekommen sie vom Nachbarn, damit können sie sich wenigstens draußen waschen.
Wenn der Vater stirbt, müssen sie das Haus, welches auf den Bruder überschrieben wurde, verlassen. »Dann müssen wir auf die Straße«, sagen sie. Häuser zu mieten kann sich hier kaum einer leisten. Viele Menschen in Topana haben keine Papiere für ihre Häuser, in denen sie leben. Die US-amerikanische Botschaft liegt genau neben Topana und die Befürchtungen groß, dass diese ihre bereits jetzt riesige Basis in Richtung Topana noch weiter vergrößert. Es gibt zwar vereinzelt Legalisierungen, für wenig Geld pro Quadratmeter können die eigenen Häuser nach und nach offiziell gekauft werden – aber nicht überall in Topana.
Vielen Menschen versuchen, in Westeuropa ein neues Leben zu beginnen, eines mit einer Perspektive für die Zukunft. Sie zeigen uns Fotos auf einem Telefon: Nach einer Abschiebung wurden die Pässe an der mazedonischen Grenze markiert. Diese Markierung besteht aus zwei kleinen Strichen oder den Buchstaben AZ im Pass. Roma, die diese Markierung im Pass haben, wurde in vielen Fällen die Auszahlung der Sozialhilfe für einen Zeitraum bis zu einem Jahr verwehrt. Es gibt Arbeitsverbote und andere drohende Strafen. Viele haben Angst, darüber zu sprechen.
Wir treffen in Mazedonien viele Menschen, die uns traurige Geschichten erzählen, die nichts zu tun haben mit der abstrakten Definition »sicherer Herkunftsstaat«.